Warum der Markt zum Jahresende wieder volatil werden könnte

Bernd Schmid · Uhr

Die Weihnachtszeit ist normalerweise eine ziemlich ruhige Zeit für die Märkte. Die meisten Unternehmen geben keine besonderen Meldungen heraus und Arbeitnehmer und Marktteilnehmer genießen die Zeit mit ihrer Familie. Letztes Jahr war eine Ausnahme mit dem „Powell-Pivot“.

Wird das auch in Zukunft eine Ausnahme sein? Vielleicht nicht, denn in den USA gibt es eine relevante Entwicklung, über die ich hier schon einmal geschrieben habe.

Es geht darum, dass man dort im Alter von 70 Jahren (genauer: in dem Jahr, in dem man genau 70,5 Jahre alt wird) gesetzlich gezwungen wird, Einkommen aus seinem Rentendepot zu generieren (die sogenannte Reqiured Minimum Distribution), und zwar jedes Jahr. Wer das bis zum 31. Dezember eines Jahres nicht tut, darf sich über eine Steuer in Höhe von 50 % freuen. Es wäre also nicht so clever, das nicht zu tun.

Dieser Verkaufseffekt dürfte über die kommenden Jahre an Gewicht für die Märkte gewinnen, denn es werden immer mehr Baby Boomer die 70,5-Jahre-Marke überschreiten. Und die Baby Boomer sind auch diejenigen, die einen größeren Teil ihrer Vermögen in Aktien haben.

Der Investor Mike Green argumentiert, dass der Anfang genau dieses Effekts im letzten Jahr zu beobachten war und einen Teil der damals auftretenden Volatilität erklärte. Wenn diese Theorie stimmt, dann könnten wir alle Jahre wieder zum Jahresende ein jedes Jahr noch stärkeres Déjà-vu erleben. Auch in diesem Jahr.

Was das für Anleger bedeutet

Ich hoffe, diese Aussicht macht niemanden nervös. Und falls doch, dann ist es wahrscheinlich eine gute Idee, seine generelle Portfoliostruktur zu hinterfragen. Denn einmal ist Volatilität am Aktienmarkt etwas Normales, mit dem man einfach leben muss, wenn man in Aktien investiert. Darüber hinaus hat sie genauso Vorteile wie auch Nachteile. Es ist nur eine Frage der Perspektive. Und auch eine Generationenfrage.

Für einen Baby Boomer, der plant, von einem Teil seines Kapitals zu leben, ist Volatilität (nach unten zumindest) nicht so schön. Ganz zu schweigen von einem Marktcrash. Denn dann hat man unter Umständen weniger zum Leben, als man sich einmal erhoffte.

Für Millennials (zu denen ich gerade so noch gehöre) ist eher das Gegenteil der Fall. Wir sind in der Regel erst noch dabei, unser Portfolio aufzubauen, und wollen das vermutlich noch einige Jahre tun. Für uns sind die aktuell hohen Bewertungen eher störend. Denn jeder heute in den Markt gesteckte Euro bringt uns weniger als jeder Euro, den wir nach einem möglichen 50-%-Cash in den kommenden Monaten in den Markt stecken. Wir sollten die Korrektur daher eigentlich herbeisehnen.

Ein Generationenkonflikt

Im Prinzip führt das zu einem Konflikt zwischen den Generationen. Die Baby-Boomer-Generation profitiert von möglichst teuren Aktienmärkten, in die sie hineinverkaufen können. Die Millennial-Generation hingegen sind diejenigen, die den Baby Boomern die Aktien abkaufen müssen. Sie sollten sich daher eigentlich viel günstigere Aktienmärkte wünschen.

Eine höhere Volatilität zum Jahresende wäre für die einen daher eher eine schlechte Nachricht, für die anderen dafür eine gute. Sie würde es vielleicht auch ermöglichen, das eine oder andere Aktienschnäppchen als Weihnachtsgeschenk zu ergattern. Wo sonst bekommt man vor Weihnachten etwas im Ausverkauf, wenn nicht am Aktienmarkt?

So weit ist es (leider?) allerdings noch nicht. Unabhängig davon, ob das passieren wird oder nicht, hoffe ich, dass der eine oder andere Leser diesen Artikel zum Anlass nimmt und reflektiert, ob das eigene Depot so aufgestellt ist, dass man in jedem Fall eine ruhige Weihnachtszeit erleben wird, ohne dass man ständig an sein Vermögen denken muss.

Foto: Rabbitti / Shutterstock.com

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