Heiko Böhmer: Der Blick auf das zweite Halbjahr ist sorgenvoll

Heiko Böhmer · Uhr
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Die Krisenmeldungen reißen nicht ab – das gilt auch für die Konjunktur. Jetzt liegen die Ergebnisse der neuen sentix-Konjunkturumfrage vor und das mit erschreckenden Resultaten. So sackte der Konjunkturindex für die Euro-Zone auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020. Bei den Konjunkturerwartungen in Deutschland fiel der Absturz so massiv aus, dass es ein neues Allzeit-Tief gab.

Vor vier Wochen sah die Lage noch ganz anders aus. Da hatten die Juni-Ergebnisse der sentix- Konjunkturumfrage eine kurzfristige Entspannung signalisiert. „Die Energiekrise führt zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen. Dabei stellte der Juni nicht wirklich eine Stabilisierung dar. Wir waren nur im Auge des Sturms. Jetzt geht der Absturz weiter“, erklärt dazu Manfred Hübner, Geschäftsführer von sentix.

Bei der Konjunkturumfrage geht es im Kern um die Einschätzung der Experten zur aktuellen Lage und zur Konjunkturerwartung auf Sicht von 6 Monaten. Bei der Bewertung der aktuellen Lage ist der Absturz so massiv ausgefallen, dass nun Werte wie im März 2021 erreicht wurden. Bei Lagewerten auf diesem Niveau ist die Annahme begründet, dass eine Rezession unvermeidlich ist. Das hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt.  

Gewinnerwartungen noch positiv

Auch die Konjunkturerwartungen bringen keine Entspannung, sie fallen ebenfalls weiter. Wie haben also eine sich verstärkende konjunkturelle Abwärtsspirale. Und beim Blick auf die Dynamik dieses Trends geht der Vergleich schon zurück bis zur globalen Finanzkrise 2008. Damals stand das internationale Finanzsystem vor dem Zusammenbruch. Heute beziehen sich die Sorgen auf die europäische Energieversorgung.

Mit Blick auf den kommenden Winter stehen wir vor wirklich großen Herausforderungen. Dabei werden die Preise – trotz des massiven Anstiegs – nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zunächst einmal wird die Versorgungssicherheit die größte Aufgabe sein, vor der die politisch Verantwortlichen jetzt stehen.

Notenbanken können kein Gas besorgen – sondern nur Geld drucken

Hier ergibt sich im Übrigen ein großer Unterschied zur globalen Finanzkrise – und darauf weist auch sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner hin: „Während das Finanzsystem im Wesentlichen aus Geld besteht, welches bei Bedarf von der eigenen Notenbank in beliebiger Höhe gedruckt werden kann, ist fehlendes Gas nicht einfach zu ersetzen. Zudem wären praktisch alle Wirtschaftsbereiche negativ von einem Gas- oder Strom-Blackout betroffen.“

Tatsächlich wird jetzt das zweite Halbjahr 2022 spannend. Schon bald wird sich zeigen, wie die Masse der Unternehmen im aktuellen Umfeld agiert und wie auch die weitere Entwicklung eingeschätzt wird. In wenigen Tagen geht die Berichtssaison zum zweiten Quartal los. Noch sind viele Analysten recht optimistisch für die Gewinnentwicklung. So erwarten die Experten der Commerzbank für den DAX in diesem Jahr ein durchschnittliches Gewinnwachstum von fünf Prozent. Noch optimistischer ist der Blick beim maßgeblichen US-Index S&P 500. Hier liegt die Erwartung für die Gewinnentwicklung 2022 sogar bei 11 Prozent.

Es gibt positive Zeichen

Allerdings spielt eine Tatsache eine große Rolle bei der Einschätzung an den Finanzmärkten: Die Stimmung ist so negativ wie lange nicht mehr – aber der strategische Bias, also der mittelfristige Blick auf die Finanzmärkte dreht so langsam wieder. Auch das ergibt sich aus den aktuellen Daten von sentix. Auf Sicht der kommenden sechs Monate kann das eine Entspannung an den Märkten bedeuten. Das wäre auch wirklich aller höchste Zeit, denn allein seit Jahresanfang haben sich die Wertverluste der 100 größten Unternehmen an den globalen Finanzmärkten auf die unvorstellbare Summe von 6,1 Billionen Dollar gesteigert. Das entspricht nach Angaben des Beratungshauses EY einem Rückgang um 17 Prozent. Etliche Aktien notieren in diesen Tagen auf dem gleichen Niveau wie zum Tiefpunkt der Corona-Krise im März 2020. Das bietet auf jeden Fall selektive Chancen für langfristig orientierte Investoren – auch wenn es immer noch eine Etage weiter nach unten gehen kann. 

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