Versicherer sehen Bewegung in Debatte um Hochwasserschutz

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Berlin (Reuters) - Die deutsche Versicherungswirtschaft sieht Fortschritte in der politischen Debatte um eine Absicherung gegen Hochwasser und andere Naturkatastrophen.

"Es kommt etwas Bewegung rein", sagte Anja Käfer-Rohrbach, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbandes GDV, am Donnerstag in Berlin. Anders als nach dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal wachse in der Politik nun das Bewusstsein, dass die Verhinderung von Schäden und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ein wichtiger Teil des Konzeptes sein müssten. Dazu müssten Bund und Länder aber auch in Hochwasserschutz investieren. Dämme und Deiche müssten auch gepflegt werden, damit sie nicht wie zuletzt in Bayern nach zwei Tagen Dauerregen brächen, sagte GDV-Experte Oliver Hauner.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist gegen eine Pflichtversicherung, kann sich aber eine Widerspruchslösung (Opt-out) gut vorstellen. Dabei würden die Kunden angeschrieben, dass der Hochwasser- und Erdbeben-Schutz in ihre Police aufgenommen werde. Wenn sie das nicht wollten, müssten sie in einer bestimmten Frist aktiv widersprechen. Eine solche Aktion müsse aber gesetzlich abgesichert sein, betonte Hauner. Damit ließe sich der Anteil der gegen Hochwasser versicherten Haushalte von derzeit gut 50 auf 75 bis 80 Prozent schrauben, glaubt der GDV. "Das wäre dann schon mal ein großer Schritt", sagte Käfer-Rohrbach. Expertenschätzungen zufolge läge der Jahresbeitrag allein für den Hochwasserschutz bei rund 190 Euro. Das sei "nicht ganz aus der Luft gegriffen", sagte Hauner.

Dauerregen hatte in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs viele Flüsse über die Ufer treten lassen, was zu großflächigen Überschwemmungen führte. Allein bei der R+V Versicherung hat das nach ersten Schätzungen einen Schaden von 100 Millionen Euro angerichtet. "Das Wasser hatte eine unheimliche Zerstörungswucht", sagte Vorstand Klaus Endres. Auch im Saarland und in Niedersachsen hatte es in diesem Jahr schon Hochwasser gegeben, die branchenweit jeweils 200 Millionen Euro Sachschäden anrichteten.

SÖDER WILL RUNDEN TISCH MIT VERSICHERERN

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte im Bundestag an, die Elementarschadenversicherung zum Thema seines Treffens am 20. Juni mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu machen. "In Sachen Elementarschadenversicherung kommen wir voran", sagte Scholz in einer Regierungserklärung. "Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich gegen Elementarschäden versichern können." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in der "Augsburger Allgemeinen" einen Runden Tisch mit den Versicherern angeregt: "Wir müssen eine Lösung finden, die für alle Beteiligten machbar ist: Bürger, Versicherungen, Staat."

Der GDV ist bereit dazu: "Wir warten seit drei Jahren, dass wir das Thema einmal ganzheitlich diskutieren können", sagte Käfer-Rohrbach. Eine Hochwasserversicherung sei aber nur ein Teil der Lösung, weil sie zu Fehlanreizen führen könne. "Aber mit Prävention kann man keine Wahlen gewinnen", sagte Hauner.

Das französische Modell der Elementarversicherung sei jedenfalls kein Vorbild für Deutschland, sagte Käfer-Rohrbach. Im Nachbarland übernimmt der Staat seit mehr als 40 Jahren die Schäden aus Naturkatastrophen, die über den privaten Versicherungsschutz gegen Sturm, Hagel und Frost hinausgehen. Die Kunden zahlen dafür einen Aufschlag von zwölf Prozent auf die Versicherungsbeiträge. "Das System ist seit 2015 deutlich defizitär", sagte die GDV-Geschäftsführerin. Der Staat müsse immer wieder Geld nachschießen. Von 2025 an steigt die Abgabe daher auf 20 von 12 Prozent. Selbstbehalte von maximal 1520 Euro auch in gefährdeten Gebieten gäben zudem keinerlei Anreize zur Verhinderung von Schäden.

In Deutschland brauchten die Versicherer den Staat nur zur Absicherung von Maximalschäden, den Rest könnten Versicherer und Rückversicherer bewältigen. "Wir haben kein Kapazitätsproblem in der Rückversicherung", sagte Käfer-Rohrbach.

(Bericht von Alexander Hübner, Andreas Rinke und Alexander Ratz; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)