Kolumne von Stefan Riße

Zölle treiben Inflation

Stefan Riße · Uhr
Quelle: rawf8/Shutterstock.com

Die Zeit des wachsenden Welthandels und der fallenden Handelsschranken scheint endgültig vorbei. Nachdem bereits unter US-Präsident Donald Trump umfangreiche Zölle eingeführt wurden, vor allem gegenüber China, aber auch Europa, hat der amtierende Präsident Joe Biden noch mal nachgelegt und auf Elektroautos aus China, Solarpanels und vielerlei weitere Produkte die Zölle vervielfacht. Europa legt nun ebenfalls nach, mit Zöllen auf Elektroautos. Diskutiert wird dabei immer über die Auswirkungen auf Unternehmen, sofern es seitens China zu Gegenmaßnahmen komme.

Vor allem die deutsche Automobilindustrie zittert jetzt. Es fiel den anderen Ländern Europas leichter, diese Zölle einzuführen, weil deren Automobilhersteller in China kaum Marktanteile haben. Bei den deutschen und vor allem bei Volkswagen geht es um viel. Zwar sind sie bei den Elektroautos sowieso ins Hintertreffen geraten und werden in China wohl kaum ein Fuß auf den Boden bekommen, noch verkaufen Sie aber eben auch Verbrenner, die dann erheblich im Preis steigen würden.

Zölle verteuern heimische Produkte

Wenig diskutiert wird bisher der Einfluss der Zölle auf die Inflation. Denn was sollen Zölle bewirken? Sie sollen die teureren heimischen Produkte wieder wettbewerbsfähig machen, in dem die Billigprodukte aus dem Ausland mithilfe der Zölle teurer werden. China hat schon vorausgesehen, was kommen würde. Deswegen sind zuletzt die Containerpreise enorm gestiegen und extrem viele Elektroautos aus China wurden in den USA und Europa auf Halde gestellt, weil man sie noch mit günstigeren Zollsätzen einführen konnte. Sind diese verkauft, werden Autos aus China teurer. Und der Preisdruck auf die heimischen Hersteller wird nachlassen. Das gleiche gilt für Solarpanels, wo China den Markt fast als Monopol beherrscht. Selbstverständlich wird dies Auswirkung auf die Inflation in den USA, aber eben auch in Europa haben. Produkte, die Donald Trump in seiner Amtszeit mit Zöllen belegt hatte, stiegen im Preis deutlich stärker als Waren, die nicht betroffen waren. 

Die rückläufige Inflation könnte sich plötzlich umdrehen und wieder Richtung vier Prozent laufen. Das würde die Notenbanken vor eine schwierige Aufgabe stellen, denn die zu erwartenden Gegenmaßnahmen seitens Chinas würden die heimische Konjunktur sicherlich schwächen, insbesondere in Ländern, die wie Deutschland stark vom Export abhängen. Wegen der Zölle steigende Preise und wegen nachlassender Auslandsnachfrage eine schrumpfende Wirtschaft würden dann in ein Stagflationsszenario führen – Inflation bei gleichzeitiger Rezession.

Anleger sollten weiterhin auf die Arbeitslosigkeit achten

Ein Stagflationsszenario ist das für die Notenbanken schwierigste wirtschaftliche Umfeld, das es gibt. Auf der einen Seite müssten Sie die Konjunktur ankurbeln, auf der anderen Seite besteht dann die Gefahr, dass sie die zu hohe Inflation weiter antreiben. Für welche Seite sie sich entscheiden, dürfte extrem vom Arbeitsmarkt abhängen. Denn eine mögliche Stagflation heute wäre nicht so schlimm wie in den 1970er Jahren, damals führte die Stagflation zu mehr Arbeitslosigkeit. Aktuell ist es so, dass aufgrund der in Rente gehenden Babyboomer selbst bei einer Rezession womöglich die Arbeitslosigkeit zunächst unbedenklich bliebe.

Bisher ist es das auf jeden Fall zu beobachten. Obwohl die Wirtschaft nicht mehr stark wächst, vor allem nicht in Europa, liegt die Arbeitslosigkeit auf Rekordtief. Deutschland ist die einzige Ausnahme zumindest in dieser Hinsicht. Wir haben einige 100.000 Arbeitslose mehr als noch vor einem Jahr. Und es werden noch mehr. Die Ankündigungen von massenhaftem Stellenabbau bei Unternehmen der Automobilindustrie und ihren Zulieferern kennen wir alle. Deshalb ist Deutschland derzeit in Europa auch eher das Land, das sich Zinssenkungen wünscht, in der Eurokrise war es bekanntermaßen umgekehrt.

Da bettelten die hochverschuldeten Länder, deren Zinsen nach oben schossen, um eine lockerere Geldpolitik. Die bekamen sie auch, aber die aus der Deutschen Bundesbank entsandten Zentralbankmitglieder stellten sich stets dagegen. Das rächt sich jetzt ein wenig. Mit viel Mitleid kann Deutschland daher kaum rechnen. Es dürfte zu einer längeren Zinssenkungspause in Europa kommen, wie die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits durchblicken ließ. Die Aussichten für Aktien bessern sich dadurch nicht, eher im Gegenteil.

Man muss aber konstatieren, dass das derzeit für die Anleger ja offenbar keine Rolle zu spielen scheint, wobei der DAX tatsächlich erste Schwäche zeigt. Am kommenden Freitag ist der große Verfall an den Terminmärkten. Da könnte sich diese Schwäche eher noch verstärken. In der Vergangenheit war das oft so. So paradox es klingt, käme es zu einer längeren Abwärtsbewegung, dann wären wohl erst mehr Arbeitslose in den USA und Europa der Befreiungsschlag. Dann nämlich dürften die Zentralbanken selbst bei noch erhöhter Inflation die Geldpolitik deutlich lockern.

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