Trump stößt Biden im TV-Duell in die Defensive - "Eine Katastrophe"

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- von Helen Coster und Christian Rüttger

Atlanta/Berlin (Reuters) - Gut vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl haben sich Amtsinhaber Joe Biden und sein Herausforderer Donald Trump in einem ersten TV-Duell einen hitzigen Schlagabtausch geliefert.

Der heiser klingende Biden geriet in der auf 90 Minuten angelegten Debatte mehrfach ins Stocken, musste sich einige Male selbst korrigieren und wirkte bisweilen zaghafter und unkonzentrierter als sein Rivale. Noch während der Debatte wurde in Bidens Lager Entsetzen laut über den Auftritt des 81-Jährigen, der vor allem beweisen musste, dass er geistig und körperlich fit genug ist für eine weitere Amtszeit. Ein Wahlkampfstratege der Demokraten sprach von einer Katastrophe.

Trump nutzte dagegen den Auftritt vor einem Millionenpublikum an den Fernsehschirmen zur besten US-Sendezeit am Donnerstagabend, um seinem Kontrahenten vorzuwerfen, dass er die USA zugrunde richte. Er feuerte eine ganze Breitseite von Falschbehauptungen ab und warf Biden vor, durch schwache Führung Schuld daran zu sein, dass in der Ukraine und im Gazastreifen Kriege herrschten.

Beide Kandidaten überzogen sich mit Beleidigungen und bezichtigten sich gegenseitig, Lügner und Kriminelle sowie der jeweils schlechteste Präsident aller Zeiten gewesen zu sein. Auch kuriose Momente gab es. An einer Stelle prahlte Trump damit, er könne einen Golfball weiter schlagen als der Präsident - woraufhin Biden ihn zu einer Partie aufforderte, aber nur wenn Trump seine Tasche selbst trage. "Lasst uns nicht wie Kinder benehmen", konterte Trump.

PANIK IM BIDEN-LAGER

Das Präsidialamt erklärte während des Duells, Biden sei erkältet. Doch schon kurz nach Ende der Debatte mehrten sich die Stimmen, dass spätestens jetzt bei den Demokraten eine Diskussion darüber nicht mehr unterdrückt werden könne, ob Biden der richtige Kandidat sei. Eine Kongressangestellte, die für einen Senator der Demokraten arbeitet, sagte, bei ihrem Boss und anderen Vertretern aus der ersten Reihe sei bereits Panik ausgebrochen. Ein Spendensammler der Partei sagte, er gehe davon aus, dass der Geldstrom in Richtung Bidens Wahlkampfkasse nun versiegen werde. "Geld folgt der Begeisterung. Wie kann jetzt auch nur irgendwer ernsthaft sagen: 'Spendet für Joes Wahl'."

"ICH GLAUBE, ER WEISS SELBST NICHT, WAS ER GESAGT HAT"

In der Tat verlor Biden ein ums andere Mal den Faden, sprach undeutlich und richtete den Blick oft zu Boden statt in die Kameras. Trump kostete die Verhaspler seines Kontrahenten sichtlich aus. Als Biden an einem Punkt nicht richtig zu verstehen war, griff Trump das auf und betonte, er wisse wirklich nicht, was Biden zum Ende des Satzes gesagt habe. "Ich glaube, er weiß es selbst nicht." Als es um das Thema Steuern ging, sprach Biden erst von Billionären, bevor er richtigstellte, dass er Milliardäre meinte. Scheinbar zusammenhanglos erwähnte er dann die Corona-Pandemie, entschuldigte sich, legte eine Pause ein und fuhr schließlich fort: "Schauen Sie, wir haben die Krankenversicherung besiegt."

Schon vor der Debatte stand die Altersfrage der beiden Bewerber mehr als bei jeder anderen Wahl im Fokus. Noch nie sind zwei US-Präsidentschaftskandidaten in solch hohem Alter gegeneinander angetreten. Im Gegensatz zu Biden wirkte der 78-jährige Trump am Abend des Duells erheblich energischer und aufgeräumter. Angesprochen auf sein Alter, sagte der Ex-Präsident, er sei in sehr guter Verfassung. Biden antwortete auf die Frage nach seiner Konstitution, Trump sei drei Jahre jünger und deutlich weniger kompetent. "Sehen Sie sich an, was ich geleistet habe. Sehen Sie sich an, wie ich die schreckliche Lage, die er mir hinterlassen hat, gewendet habe."

TRUMP WARNT VOR DRITTEM WELTKRIEG

Die vom Fernsehsender CNN in Atlanta ausgerichtete Debatte deckte eine große Bandbreite von Themenfeldern ab. Biden und Trump stritten unter anderem über den Zustand der Wirtschaft, über Abtreibung, Klima, Sozial- und Krankenversicherungen, die Stellung der schwarzen Bevölkerung und die Opioid-Krise in den USA. Besonders hitzig wurde es beim Thema Einwanderung. Unwidersprochen von den Moderatoren der Debatte behauptete Trump etwa, dass Migranten eine Verbrechenswelle ausgelöst hätten und er die Wahl 2020 in Wahrheit gewonnen habe. Er warnte davor, dass Biden das Land in einen dritten Weltkrieg führen werde. Zugleich versprach er Steuerkürzungen, sollte er die Wahl gewinnen, und eine rasche Beendigung des Kriegs in der Ukraine noch bevor er vereidigt werde.

Biden kam nur langsam aus den Startlöchern, fing sich dann aber etwa zur Hälfte der Debatte, als er verstärkt auf Attacke umschaltete. "Alles was er sagt, ist eine Lüge", warf er seinem Amtsvorgänger vor. Er habe noch nie so viel Unsinn gehört. Trump sei ein "Dummkopf und Verlierer". Auch brachte Biden Trumps kürzliche Verurteilung in dem Strafprozess um eine Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ins Spiel. Gleichzeitig verteidigte der Präsident seinen Kurs in der Wirtschaftspolitik. Er räumte ein, dass durch die Inflation die Preise während seiner Amtszeit erheblich gestiegen seien. Aber er verwies auch darauf, dass er nach der Corona-Pandemie "die Dinge wieder eingerenkt" habe.

Es war das erste direkte Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten seit Oktober 2020. Zu Bidens Amtseinführung im Januar 2021 war Trump nicht erschienen. Ein zweites TV-Duell ist für September geplant. Die Wahl findet am 5. November statt. In Umfragen lagen Biden und Trump vor der Debatte nahezu gleichauf.

(Redigiert von Elke Ahlswede; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)