Noch keine durchgreifende Besserung in Sicht

Chemie-Verband sieht Wachstum - Aber noch "kein Grund zum Jubeln"

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)
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Düsseldorf (Reuters) - Die deutsche Chemieindustrie sieht nach einer langen Durststrecke trotz erster Zuwächse noch keine durchgreifende Besserung.

Der Branchenverband VCI bekräftigte zwar am Montag seine erst im Mai erhöhte Prognose für 2024 und erwartet weiter einen Anstieg der Produktion von 3,5 Prozent und ein Plus beim Branchenumsatz von 1,5 Prozent. Dies sei aber noch "kein Grund zum Jubeln", sagte VCI-Chef Markus Steilemann. Für eine nachhaltige Trendwende sieht er die Politik am Zug: Diese müsse Deutschland wieder wettbewerbsfähiger machen. Die Energiewende drohe viel zu teuer zu werden, die Infrastruktur sei marode, die Digitalisierung komme nur schleppend voran und die Bürokratie nehme überhand, warnte er. Es brauche nun eine "Kaskade an vernünftigen Maßnahmen, damit die Branche (..) erhalten bleibt".

Die Chemiebranche litt lange unter schwacher Nachfrage und hohen Produktionskosten. Nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine hatten sich etwa viele Materialien stark verteuert, ebenso Energie. Das hatte die energieintensive Produktion belastet. Die Konzerne reagierten mit Sparprogrammen. Der Essener Spezialchemiekonzern Evonik hatte etwa den Abbau von 2000 Stellen angekündigt, auch Branchenprimus BASF will Stellen streichen - ebenso wie Konkurrent Covestro. Bei Bayer fallen im Zuge eines breiten Konzernumbaus zahlreiche Arbeitsplätze weg. Aktuell gebe es aber keine Anzeichen für einen massiven Beschäftigungsabbau über die gesamte Branche hinweg, sagte Steilemann.

Dabei hellen sich die Perspektiven für Chemie und Pharma auf. Bereits im ersten Halbjahr zog die Produktion in der Branche mit über 560.000 Beschäftigten um rund drei Prozent an. Der Umsatz von Chemie und Pharma ging indes leicht um ein Prozent auf rund 112 Milliarden Euro zurück. "Es gibt einen Silberstreif, aber von einem stabilen Aufwärtstrend kann keine Rede sein", bilanzierte Steilemann. Der Verband erwartet nun, dass sich die Auftragslage in der Chemie im zweiten Halbjahr verbessert. Wesentlicher Treiber bleibe dabei das Geschäft mit dem Ausland. Auch eine Erhebung des Münchener Ifo-Instituts hatte eine Verbesserung der Stimmung in der Chemieindustrie ergeben. Das entsprechende Barometer sei im Mai gestiegen, hatte das Institut im Juni mitgeteilt. "Die Zuversicht der deutschen Chemiebranche kehrt zurück", sagte Ifo-Branchenexpertin Anna Wolf.

Gleichzeitig sieht Steilemann aber weiter Warnzeichen für die Entwicklung der deutschen Schlüsselbranche. Immer mehr Unternehmen entschieden sich bei Investitionen gegen den Standort Deutschland, warnte er. Laut einer VCI-Mitgliederbefragung gingen die Investitionen der Branche in Deutschland im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 9,2 Milliarden Euro zurück. Gleichzeitig stiegen die Investitionen im Ausland mit rund zwölf Milliarden Euro um gut acht Prozent. Ausländische Investitionen seien zudem gut für Deutschland, sagte Steilemann in seiner Rolle als VCI-Präsident. Er ist gleichzeitig auch Chef des Kunststoffherstellers Covestro - den der Ölriese Adnoc aus Abu Dhabi übernehmen will.

(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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